Öffentlichkeitsarbeit
Rückreise von Frau Dr. Brügman nach Deutschland auf unbekannte Zeit verschoben
Januar 2021
Frau Dr. Anke Brügman hat in Beaumont alle Hände voll zu tun. Es kommen viele Patienten, die ihre Hilfe brauchen. Sie kümmert sich um die Kinder in der Schule und Waisenhaus, die Organisation des Ganzen und eben viele Patienten. Wichtige Medikamente für einzelne Patienten gehen zur Neige oder stehen nicht zur Verfügung. Aber die gute Nachricht: Es kommen keine Covid-19 Patienten. Bis jetzt ist noch kein Fall angekommen. Das ist ein großes Glück!
Frau Brügman sollte eigentlich ab November wieder in Deutschland sein. Da so viele Patienten zu versorgen sind, ist sie noch in Haiti. Wann sie kommen kann ist noch nicht klar.
Erfreulich ist, dass die Schule weiter läuft. Die Schüler*innen konnten ihre vierteljährlichen Examen ablegen. Außerdem konnten die Kinder Weihnachtslieder einüben, was ihnen immer viel Freude bereitet.
Wichtig für den Betrieb und die gute Stimmung: Es wurden einige Welpen, Zicklein und Ferkel geboren.
Elternbrief Evangelische Grundschule Hangelar
Dieser Brief wurde uns von der Evangelische Grundschule Hangelar zugesandt.
egsDas Schuljahr startet
September 2020
Unsere Studierenden konnten im September ihr Studium wieder aufnehmen.
Drei Studierende waren bisher mit ihrem Studium erfolgreich und können nun wieder weiter studieren. Schwierig ist die Quittungen für Schulgelder, Materialien und Ähnliches zu bekommen.
Frau Brügman muss immer wieder persönlich bei Schulen vorsprechen, damit auf die Quittungen menkontre geschrieben wird. Aber wir freuen uns, dass das Studium weiter geht!
Einschreibungen für das neue Schuljahr
An mehreren Tagen um 5 Uhr morgens war bereits eine riesige Menschenmenge vor dem Tor. Bis 23 Uhr abends wurde für JEDES Kind ein Formular mit den sozialen Details ausgefüllt. Das Aussortieren und die Absagen an die Eltern geben fällt immer schwer. Aufgrund der Unsicherheit in den Städten kommen mehr Menschen auf das Land. Auch Kinder aus den Bergdörfern wollen in unsere Schule, weil dort oft kein geregelter Schulbetrieb möglich ist.
Ein Baby und ein kleines Mädchen werden aufgenommen
Ein zwei Monate alter Junge wurde abgegeben, weil seine Mutter gestorben ist. Ohne Säuglingsnahrung könnte er nicht überleben. In ein paar Tagen soll das neue Schuljahr beginnen. Ein 18-Monate altes Mädchen wurde gebracht. Angeblich sei die Mutter in PauP gestorben. Das Kind war sehr schmutzig, hatte Krätze usw. Sie hat sofort einen Teller Reis verschlungen. Der Partner der Tante hat schon gedroht, das Kind umzubringen, wenn es nicht verschwindet.
In einem Klassenzimmer liegt noch eine frisch Entbundene mit ihrem gesunden Baby. Die Mutter war zuvor auf einer Trage über die Berge zu Frau Brügman gebracht worden.
Keine Engineers without Boarders nach Haiti
Juli 2020
Die Sicherheitslage in Haiti ist derzeit auf keinen Fall ausreichend stabil, um die jungen EWB’s einreisen zu lassen. Ein hoher Politiker wurde ermordet. Das städtische Gymnasium, das direkt neben unserer Anlage steht wurde komplett ausgeraubt. Der dort wohnende Direktor hat seine gesamte Habe einschließlich Computer verloren.
Coronazeit in Beaumont
April 2020
Auch der Verein wurde durch die Auswirkungen der Coronazeit getroffen. Frau Dr. Brügman konnte vor der ersten Welle und des Lockdowns gerade noch aus Haiti ausreisen. Aber dann saß sie in Deutschland fest. Eine Einreise nach Haiti war lange nicht möglich. Der Kontakt nach Beaumont war schwierig, skypen ging schlecht.
Im September war es dann endlich so weit: Frau Brügman konnte sich aufmachen. Von Zürich konnte sie über Madrid nach Santo Domingo in der Dominikanischen Republik fliegen. Ob und wenn wie sie von dort weiter nach Haiti kommen kann, war unklar. Öffentliche Busse gab es nicht. Sie konnte sich dann aber durchschlagen und kam nach 71h Stunden in Beaumont an. Um über die Grenze zu kommen brauchte sie einen Coronatest, Fiebermessen, füllte Fragebogen aus und stellte sich einer mündlichen Befragung. Auf großen Plakaten wurden die Hygieneregeln propagiert.
Erfahrungsbericht Haiti
Erfahrungsbericht Haiti von Leandra
Im Sommer 2019 habe ich, Leandra, mich zum ersten Mal gemeinsam mit 5 Ingenieuren von EWB aus Karlsruhe nach Haiti aufgemacht, um für 6 Wochen den Verein Pwojè men kontre vor Ort so gut wie mir möglich zu unterstützen. Hierüber werde ich im Folgenden berichten, wobei es sich um meinen persönlichen ersten Eindruck handelt, welcher, verglichen mit dem Bild nach jahrelangen und wiederholten Aufenthalten, sicherlich noch sehr unvollständig ist.
Vorher ein paar Worte zu mir und wie ich dazu gekommen bin, nach Haiti zu gehen: Ich studiere Medizin in Göttingen, weshalb mich im Besonderen die gesundheitliche Lage der Bevölkerung Haitis interessiert. Bis zum damaligen Zeitpunkt war mein Studium allerdings hauptsächlich theoretisch ausgerichtet. Vor meinem Haiti Aufenthalt habe ich schon eine Jahreshauptversammlung und ein Haiti Fest des Vereins Pwojè men kontre besucht, bin ansonsten allerdings sehr unvoreingenommen an die Sache herangegangen. Für Entwicklungsarbeit interessiere ich mich schon länger, hatte zuvor allerdings lediglich über Schule, Fernsehen etc. Kontakt damit und war somit sehr gespannt, was mich tatsächlich erwarten würde.
- August 2019, es ist Nachmittag, zusammen mit den Ingenieuren komme ich am Flughafen in Port au Prince (PaP) an, müde von der am Tag zuvor begonnenen Reise, aber vor allem gespannt auf die nun beginnende Zeit. Außer unserer Kontaktperson empfangen uns die haitianische Hitze und der Trubel einer Stadt, der ich auf den ersten Blick außer den gekauften, salzigen Kochbananenchips nichts abgewinnen kann: Die vorherrschende Farbe ist ein lehmiges Grau, es ist staubig, schwül, stinkt, Berge von Müll türmen sich an jeder Ecke. Das Gewimmel der vielen Menschen (von denen immer wieder einige versuchen über angebotene Dienstleistungen oder Waren an unser Geld zu kommen) könnte kaum unübersichtlicher sein. Lärm durch Fahrzeuge und die Menschen, die sich etwas mir bis dahin (trotz meiner Französich-Kenntnisse) unverständliches zubrüllen, geben dem Ganzen den Rest. Ab diesem Zeitpunkt geht auch die Reise haitianisch weiter und das viele, schwere Gepäck wird nebensächlich, denn die kommenden 8h sind wir vor allem damit beschäftigt, Nischen für sämtliche unserer Gliedmaßen zu finden und die laute, elektronische, haitianische Musik auszublenden, mit der alle in dem kleinen Bus beschallt werden, ob es ihnen gefällt oder nicht. Und dennoch, immerhin haben wir einen Sitzplatz und sehen aus dem Fenster: Lastwägen, so voll beladen mit Säcken, dass ich befürchte, es könne jederzeit einer verloren gehen, tragen obenauf noch Haitianer – liegend oder sitzend. Was bei einem kleinen Unfall passieren könnte, daran denkt niemand, will niemand denken, wenn es die einzige Möglichkeit ist, um einigermaßen schnell von A nach B zu kommen.
Wir sehen all dies, rümpfen vielleicht die Nase, staunen über alles, was wir so vielleicht bisher nur im Fernsehen gesehen haben und doch bleibt es „ein Abenteuer“ – in 6 Wochen werden wir alle wieder ordentlich angeschnallt im klimatisierten, ruhigen Privatauto, Zug oder Bus sitzen. Dass es hier viel weniger Vorschriften gibt, macht sich nicht nur beim Transport bemerkbar, sondern auch in Protesten, in der Aggressivität die wir immer wieder erleben und die ohne Kenntnisse der Sprache schlecht einzuordnen ist (handelt es sich nur um das übliche lautstarke Gezanke oder fließt gleich Blut?) sowie beim Besuch einer Tropfsteinhöhle: dort gibt es weder Licht, noch Pfade. Unser Guide läuft, wie einige von uns, barfuß auf den rutschigen Steinen.
Es ist mitten in der Nacht, als wir nach der Fahrt über holprige Straßen, um der auch noch nicht vollständig geteerten und nachts von Überfällen heimgesuchten „Rue Nationale“ auszuweichen, in Beaumont ankommen.
Im Waisenhaus ist längst Schlafenszeit, trotzdem haben sie uns etwas zu Essen vorbereitet. Es gibt gebackene Kochbananen und Lanm (auch ein stärkehaltiges Gemüse), Fleisch, Pickleys (ein wenig scharfer Kraut-Karottensalat); auf Kreyòl fritay, für das Waisenhaus ein richtiges Festessen. Obwohl sie fast nichts haben, wollen sie uns das Beste geben! Es ist diese Gastfreundschaft und Fürsorge, die ich auch später noch erleben darf und die anzunehmen mir nicht immer leicht fällt, wenn ich daran denke, in welchem Überfluss wir hier in Deutschland leben.
Die respektvolle Behandlung aller Helfer zieht sich durch meinen ganzen Aufenthalt. Die Menschen sind sehr freundlich zu uns, im Dorf wissen alle, warum wir hier sind. Und trotzdem darf man sich nicht zu sehr auf die Menschen dort verlassen. Die Menschen sind gerissen und machen sich gerne einen Spaß daraus, andere über’s Ohr zu hauen. Dies ist nicht böse gemeint ist, wie mir schnell klar wird, sondern mehr Teil ihrer Mentalität. Es gehört dazu zu verhandeln und misstrauisch zu sein, alles andere wird gnadenlos ausgenutzt. Für sich selbst das Beste herauszuschlagen bietet schließlich in vielen Situationen einen entscheidenden Überlebensvorteil, so meine Erklärung. Es gab beispielsweise einen Patienten, der intensive medizinische Versorgung brauchte, es ging um sein Leben. Sein jugendlicher Sohn kam mit ihm zu uns und erbat Hilfe, die Dr. Anke Brügmann ihm gewährt hat. Jedoch wäre zusätzlich eine intensive Pflege und Betreuung wichtig gewesen, die die Ärztin aufgrund der zahlreichen anderen Aufgaben, deren sie sich in Haiti widmet, nicht bewältigen konnte und die auch nicht in ihren Aufgabenbereich fällt. So bat sie darum, dass sich Angehörige um den Erkrankten kümmern sollten. Das ist in Haiti so üblich, examinierte Pflegekräfte sind für andere Arbeiten zuständig, als das, was gefordert war und für den jugendlichen Sohn wäre die Rund-um-die-Uhr-Betreuung doch recht viel verlangt gewesen. Als es aber wirklich darum ging, für den Kranken da zu sein, war von keinem seiner Angehörigen jemand zu sehen und es verstrichen Tage, die der Patient alleine ausharren musste und in denen sich Dr. Brügmann doch zu Aufgaben bewegen lies, die eigentlich wirklich nicht ihre sind. Keiner von ihnen konnte Verantwortung übernehmen. Die Erwachsenen erscheinen mir eher wie große Kinder und in meinen 6 Wochen konnte ich mich immer noch nicht ganz daran gewöhnen, dass diese sich (bis auf einige Ausnahmen natürlich) genauso wenig verantwortungsbewusst verhalten. Mangelnde Bildung und Erziehung ist überall bemerkbar und lässt sich nun einmal nicht durch Lebensjahre kompensieren.
Die schöne Seite an dieser Kindlichkeit ist, dass die Menschen auch zeigen, was in ihnen vorgeht: sind sie sauer, brüllen sie, freuen sie sich, tanzen sie (nach einer Geburt hat mir ein spontaner Freudentanz mit Gesang wirklich Tränen in die Augen getrieben), sind sie beleidigt, ist es unschwer zu erkennen. Das erleichtert das Miteinander ungemein, Missverständnisse was Emotionen angeht, sind selten.
Auch die Verbindung der Haitianer zur Musik ist völlig anders als bei uns. Den Kindern ist es nicht peinlich zu singen, sie singen mit einer Kraft und Freude auch unbekannte Lieder, die ich in Chören bei uns so nie erlebt habe. Bei den Instrumenten sind verschiedene Trommeln in der Überzahl, in einem Gottesdienst waren auch noch Schlagzeug und Gitarren dabei. Der Rhythmus liegt den Menschen im Blut, schon die Kleinsten trommeln oder schwingen ihre Hüften, wie ich es heute noch nicht kann. Ihre Lebensfreude und Begeisterungsfähigkeit ist wirklich ansteckend. Umso trauriger finde ich es, zu wissen, wie wenig all diese Menschen aus ihren Talenten machen können, wie wenig sie gefördert werden können. Die Instrumentenvielfalt und Qualität wie bei uns und ausgebildete Lehrkräfte gibt es einfach nicht.
Die Kinder auf der anderen Seite übernehmen schon deutlich mehr Verantwortung als Kinder bei uns. Schon die Kleinsten wissen, wie man sich um die noch kleineren kümmert, tragen oder wickeln diese mit dem Wissen, was ihnen von den älteren beigebracht wird und so versuche auch ich meine anfängliche Scheu im Umgang mit Babys abzulegen. Hier gibt es keine ständig wachsame Mutter, die nur sehr gut ausgewählte Menschen, nach langer Einweisung in die bevorzugte Art der Pflege und die verwendeten Produkte, an ihren Nachwuchs heranlässt. Man benutzt was es gibt und ist froh um jeden der hilft, hilft auch anderen gerne. Dennoch fehlt aber natürlich einiges an Wissen, was Gesundheit und Schutz der Babys angeht, trotz Anleitung von Dr. Anke Brügmann machen die Menschen es gerne wie gewohnt und das ständige Erinnern an eigentlich schon gesagtes zehrt an den Kräften.
Hat man dann einmal das Verlangen nach Ruhe, Muße und Spiritualität wird einem bewusst, wie selten das anzutreffen ist. In der Kirche ist die Predigt wie die Musik laut und aufrüttelnd, die Leute kehren nicht in sich sondern kommen aus sich heraus. Das Leben ist zwar sehr entschleunigt, dies liegt aber daran, dass vieles einfach nicht schneller geht. Was bei uns eine Aufgabe von Sekunden ist (wie das Auffüllen eines Glases mit sauberem Wasser) kann in Haiti Minuten dauern (einen sauberen Becher finden, je nachdem den Wasserfilter mit einem Eimer auffüllen mit Regenwasser aus Tonnen, die mehr oder weniger weit entfernt sind). All das ist mühsam und hindert einem daran, wichtige Aufgaben schnell zu erledigen. Und dennoch: Aufgaben wie das Waschen von Kleidung oder Befüllen von Pflanzsäckchen mit Erde haben am ehesten noch etwas meditatives.
An manchen Abenden zeige ich den Kindern einen Film auf dem Laptop, um den sich dann alle drängen. Meist sind sie so aus dem Häuschen, weil es so etwas Besonderes ist, das man kaum noch etwas versteht. Wenn dann dabei noch etwas zu essen verteilt wird, die Erwachsenen in normaler Lautstärke weiter reden, der Regen mit einer für uns unbekannten Lautstärke auf das Dach trommelt und die Filmsprache französisch ist (für die Kinder ja auch eine Fremdsprache) ist die Konzentration ganz dahin. Trotzdem gibt es Abende, an denen die Kinder dabei zur Ruhe kommen und manche auch schon auf meinem Schoß eingeschlafen sind. Diese Momente waren für mich etwas ganz besonderes und schönes, sie hatten etwas sehr familiäres.
Die Waisenkinder sind wirklich wundervoll! Trotz ihrer Schicksale und den unvorstellbar schlimmen Dingen, die die meisten erlebt haben, sind sie so stark, lebensfroh, rotzfrech, verspielt oder in verschiedenem Maß wissbegierig wie Kinder eben so sind. Wie bei uns haben alle ganz verschiedene Talente und ich finde es sehr schade, wie wenig individuell darauf eingegangen werden kann. Den Betreuerinnen fehlt dazu leider die Ausbildung und der Antrieb und es sind einfach zu viele Kinder. Umso wichtiger, dass freiwillige Helfer versuchen darauf einzugehen und dass die Kinder über die Schule von Pwojè men kontre eine Perspektive für ihre Zukunft bekommen.
Es ist wirklich schön, den Schulanfang mitzubekommen, wie sich die Kinder aufgeregt richten und freuen. Im Unterricht merkt man allerdings, dass die Atmosphäre viel zu unruhig ist um sich wirklich gut zu konzentrieren. Noch fehlen einige Klassenräume, sodass in der Aula mehrere Klassen parallel untergebracht sind. Dort wird allerdings auch das Essen vorbereitet, was für die Kinder natürlich immer noch ein Highlight darstellt und sie somit ablenkt, genau wie die Größe der Klassen, der Lärm insgesamt und die Hitze. Auch sind die didaktischen Fähigkeiten der Lehrer begrenzt.
An Materialien fehlt es überall: Sobald die Waisenkinder in ihrer Freizeit Stifte und Papier zum Malen bekommen, (wirklich ihr Lieblingshobby und ich werde wohl ihre Rufe: „Desen, desen!“=“Zeichnung, Zeichnung!“ noch ewig in den Ohren haben) beginnt ein Kampf darum, wer die meisten bekommt, sodass darunter leider oft der eigentliche Sinn dahinter verloren geht. Wer am besten verhandeln und sich am besten behaupten kann, bekommt am meisten. Das ist wohl, was sie eigentlich trainieren und was sicher anders wäre, hätten sie jederzeit Zugriff. So muss man wirklich darauf achten, dass nichts verloren geht. Und trotzdem: meine Haargummis, von denen die Kinder immer ganz fasziniert waren, habe ich immer zurückbekommen ohne danach zu fragen (wenn auch manchmal Tage später). Auf diese Weise kamen mir die Kinder reifer vor, als die Erwachsenen, genauso wenn es um das Wegwerfen von Müll in die Natur geht; ein Zeichen, dass die Arbeit des Vereins Früchte trägt. Denn was die allgemeine Lage in Haiti, wie beispielsweise die Ökologie angeht, gibt es noch viel zu tun, Vermüllung ist ein großes Problem.
Dabei ist die Natur Haitis doch so fantastisch! Die Berge, die Vielfalt uns unbekannter Pflanzen und Insekten (eines der Glühwürmchen beispielsweise war so groß, dass ich es für ein LED Lämpchen gehalten hätte, wüsste ich es nicht besser), die Geräusche, der starke Regen, der atemberaubende Sternenhimmel, der wirklich noch viel heller leuchtet als bei uns, die viel intensiver schmeckenden Früchte und riesigen Avocados. Von letzteren bekommen die Waisenkinder leider auch nicht viel zu sehen. Wieder eine Frage des Geldes und so bekommen die Kinder zur Zeit nur einen frisch gepressten Fruchtsaft in der Woche. Brandrodung durch die Bevölkerung hat leider viele Felder unfruchtbar gemacht. Auch der Müll der Menschen zerstört viel, was mir wieder vor Augen führt, wie wichtig Regeln und Möglichkeiten zur Müllentsorgung und eine Müllabfuhr sind. Es fehlt einfach insgesamt an vielen in unserer Zivilisation mittlerweile für selbstverständlich gehaltenen Errungenschaften.
So mangelt es in Haiti noch an vielen anderen einfachen Alltagshilfen, die für uns nicht mehr wegzudenken sind, die man dort allerdings erst einmal einführen muss. Auch das Sauberkeitsbedürfnis der Menschen ist deutlich geringer als bei uns. Ein richtiges Bad gibt es bisher erst im von EWB errichteten Mädchenwohnheim und auch dort ist es schwierig, bei all den kleinen Kindern ohne richtige Putzmittel und geeignete Tücher vor allem bei Regen und dem ansonsten lehmigen Boden das Badezimmer sauber zu halten. Der Geruch nach Urin ist allgegenwärtig und so wird für mich Rauch, der von der Kochstelle oder dem morgens zubereiteten Kaffee (wegen des Preises selten von Betreuerinnen und nie von Waisen getrunken) stammt, zu einem meiner liebsten Gerüche. Was für mich eine Herausforderung darstellt, sind die Menschen dort gewohnt, wieder ein Grund, warum sich alles so langsam ändert. Mit der schlechteren Hygiene gibt es auch deutlich mehr Infektionskrankheiten als bei uns, die Desinfektion von Wunden ist überaus wichtig und auch ich habe mir einen hartnäckigen Racheninfekt eingefangen trotz meines zumindest an deutsche Erreger ansonsten gut angepassten Immunsystems. Auch das Wissen, dass das nächste Krankenhaus (mit nur mangelhafter Versorgung) weit entfernt liegt, ist nicht gerade beruhigend. Die Menschen dort sind damit aufgewachsen, sie sind zäh und machen das Beste aus ihrer Situation. Ich war wirklich erstaunt, als ich das erste Mal einen alten, einbeinigen Mann mit selbst gebauten Krücken einen steilen Berg hinaufeilen sah, um zu einem Gottesdienst zu kommen. Vergleichbar legen hochschwangere Frauen alleine Tagesmärsche zurück, um sich von Dr. Brügmann beraten zu lassen. Gute Medikamente, Materialien und medizinische Geräte sind im Land leider spärlich und Krankenhausaufenthalte für die meisten Menschen nicht erschwinglich. Oft ersuchen Patienten daher auch erst spät Hilfe, wenn Krankheiten schon zu fortgeschritten sind um sie einfach zu behandeln. Jede Hilfe wird gebraucht.
Immer wieder bin ich hin und her gerissen: auf der einen Seite bin ich erschöpft, fühle mich vielleicht krank und habe das Gefühl mich viel zu einseitig zu ernähren um alle mir innewohnenden Kräfte mobilisieren zu können und will ich wie bei jeder Reise all die Dinge probieren, die es in diesem Land gibt und die ich von zu Hause nicht kenne. Auf der anderen Seite will ich (vor allem für eine so kurze Zeit) aber auch nicht mehr brauchen, als die Waisenkinder und Haitianer, die schließlich ihr ganzes Leben so verbringen. Meine eigenen Ansprüche an das Leben, die sich hier in Deutschland über die Jahre gebildet haben, kommen mir dekadent vor. Alles, was es für die Waisen abseits des wöchentlichen Speiseplanes gibt, ist auch für sie etwas sehr besonderes, können sie sich nur nicht leisten und die strahlenden, zufriedenen Gesichter zusammen mit dem schmatzenden Geräusch, wenn ich aus Deutschland mitgebrachte Nüsse und Rosinen verteile, oder wenn es Konparèt (ein haitianisches Gebäck mit Ingwer, was etwas an Lebkuchen erinnert, allerdings um einiges härter ist) gibt, werden mich noch lange zum Lächeln bringen. Schon nur 6 Wochen mit dem geringeren Lebensstandard machen mir deutlich mehr zu schaffen, als ich das gerne hätte, für die Haitianer ist dieser normal.
Mein Aufenthalt in Haiti hat mich zutiefst spüren lassen, wie zweigeteilt die Welt ist. Wie bei uns die Bettler auf der Straße die Ausnahme bilden, so sind es in Haiti die wohlhabenden Menschen. Diese, die bei uns als völlig normal und durchschnittlich gelten. Das macht mich traurig und wütend, hat doch keiner von uns etwas dafür getan, auf dieser Seite der Welt geboren zu sein. Es ist nur Glück. Umso wichtiger finde ich es, etwas gegen diese Ungerechtigkeit zu tun und bewundere die Arbeit aller langjährigen Mitarbeiter von Pwojè men kontre oder auch EWB, allen voran Dr. Anke Brügmann, die niemals so effektiv etwas bewirken könnte, würde sie nicht einen Großteil ihres persönlichen Glücks hinten anstellen. Jede für uns kleine Spende hat für die Waisen oder Kranken in Haiti große Auswirkungen und wird mit größter Achtsamkeit eingesetzt, nichts wird verschwendet.
(Deutsch) Pressemitteilung und Hilfeaufruf zu den Schäden durch Hurrikan Matthew
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